SWU Journal 01/2019

29 28 EIN MEER VOLL PLASTIK An die indonesische Küste wurde kürz- lich ein toter Wal gespült. In seinem Magen befanden sich 115 Plastik- becher, 25 Plastiktüten, vier Plastik­ flaschen, ein Nylonsack, zwei Flip- Flop-Sandalen und über 1.000 weitere Kunststoffteile. Das Tier wurde Opfer unseres Plastikproblems. PRO UND KONTRA Kunststoffe bilden einen preiswerten, vielseitig einsetzbaren Werkstoff. In Form von Verpackungen machen sie Lebensmittel haltbar, ermöglichen den Bau leichter und sicherer Fahr­ zeuge und eine gute Dämmung von Gebäuden. Aber: Seit 1950 haben wir 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produ­ ziert. Etwa 30 Prozent davon sind bis heute in Verwendung. Der Rest ist Teil eines massiven Umweltproblems. DER WEG DES PLASTIKS 79 Prozent des weltweit anfallenden Plastikabfalls landen auf Deponien oder direkt in der Natur. Zwölf Prozent werden verbrannt und nur neun Pro­ zent – meist ein einziges Mal – recy­ celt. Mehr als zehn Millionen Tonnen Abfälle werden jährlich in die Meere gespült, der Großteil aus Plastik. Jähr­ lich verenden daran bis zu 100.000 Meeressäuger und eine Million Mee­ resvögel. Mikroplastik – winzig kleine Kunststoffteilchen – befinden sich längst auch in unserer Nahrungskette. 1949 BASF-Chemiker Fritz Stastny entwickelt ein Verfahren zur Herstellung von Styropor. 1960 Der Plastikboom beginnt. Erdöl ist zum wich­ tigsten Rohstoff der Kunst­ stoffindustrie geworden. 1963 Der Designer und Architekt Hans Gugelot, Dozent an der Ulmer Hoch­ schule für Gestaltung, entwi­ ckelt gemeinsam mit Bayer und BMW ein Auto aus Kunststoff-Karosserieteilen. Um 1980 Bei der Res­ taurierung des kupfernen Ulmer Spatzen auf dem Münsterdach werden dem hohlen Vogelkörper Geld­ stücke, ein Kugelschreiber und ein Souvenir-Münster aus Plastik implantiert. Dies solle, so der damalige Münsterbaumeister Gerhard Lorenz, späteren Generationen einen Nach­ geschmack unserer Kunst­ stoffkultur vermitteln. 1983 Der Verbrauch an Kunststoffen übertrifft mit rund 125 Millionen Kubik­ metern erstmals den Ver­ brauch von Stahl. 1995 China wird zum viertgrößten Kunststoff­ erzeuger nach USA, Japan und Deutschland. 2019 Im März findet in Ulm zum dritten Mal die Messe KPA – Kunststoff Pro­ dukte Aktuell – statt. Kunst­ stoffe für unterschiedlichste Einsatzbereiche wie etwa Medizintechnik oder Verpa­ ckung werden präsentiert. Rund 80 Prozent allen Plastikmülls landen auf Deponien oder direkt in der Natur Strohhalme machen neben Verpackungen, Zigarettenfiltern und Plastikflaschen einen großen Teil des Meeresmülls aus André Wieland zeigt in seinem Super­ markt „Klare Kante“, wie plastikfrei einkaufen geht as Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht.Aktuell werden jährlich 322 Millionen Tonnen Plastik herge­ stellt, in zwanzig Jahren soll sich diese Menge verdoppelt haben. Das größte Plastikproblem bilden Verpackungen. Leider sind Lösungsansätze wie Bioplastik aus Maisstärke, das schadstofffrei ver­ rottet, keine nachhaltige Alternative. Die Erzeugung pflanzlicher Rohstoffe verbraucht Böden, Dünger und häufig Pestizide, zudem kostet die Produktion von Bioplastik einen enormen Energieeinsatz. Im Kompostwerk braucht es zu lange für die Verrottung – und wird ohnehin meist aussortiert, da es von her­ kömmlichem Plastik kaum zu unterscheiden ist. Letztlich landet die Bioplastiktüte im Restmüll – wenig bio, viel Energieverschwendung. GUT, ABER NICHT AUSREICHEND Die EU beginnt, Konsequenzen zu ziehen: Seit De­ zember 2018 ist das Einweg-Plastik-Verbot unter Dach und Fach. Unter anderem Trinkhalme, Einweg­ plastikgeschirr und Wattestäbchen haben ab 2021 ausgedient. Die Einwegplastiktüten über den Obst- und Gemüsetheken sind weiterhin erlaubt. Kenia und Ruanda zeigen sich diesbezüglich rigoroser: Wer in Kenia eine Plastiktüte verkauft, benutzt oder herstellt, muss seit 2017 rund 34.000 Euro Strafgeld bezahlen oder ins Kittchen. In Ruanda gelten bereits seit 2008 ähnliche Regelungen.Weltweit setzen sich Forscher und Umweltschützer für alternative Lö­ sungen des Plastikproblems ein. Große Hoffnungen kamen jüngst anlässlich der Entdeckung einer Plas­ tik fressenden Raupe auf. Doch selbst wenn die Rau­ pe helfen mag: Notwendig für eine Verbesserung ist ein Bewusstseinswandel. Denn eine riesige Menge Plastikverpackungsmüll ließe sich ohne großen Auf­ wand vermeiden. D Verbote sind gut, Vernunft wäre besser: Beim weltweiten Kampf gegen Plastikmüll zählt der Wille. Verbote können helfen, einen Bewusstseinswandel zu erwirken. IN DEUTSCHLAND WERDEN JÄHRLICH CIRCA 16 MILLIARDEN EINWEG- PLASTIKFLASCHEN VERBRAUCHT © aryfahmed - Fotolia,Anastasiia Agafonova - 123RF, Zaam - Fotolia, Elijah Lovkoff - 123RF, Marcelo Alexandre Rabelo - 123RF, mukhina1 - 123RF, meinzahn - 123RF Strohhalm Die Region Ulm/Neu-Ulm bietet Möglichkeiten, Lebensmittel ohne Plastikverpackungen einzukaufen: • Bioladen und Biobäckerei „Korn­ mühle“, Herrenkellergasse 8, Ulm • Bioladen „Nahrhaftig“, Saarlandstraße 115, Ulm • Supermarkt „Klare Kante“, Hauptstraße 22, Weißenhorn • Bei vielen Händlern auf den Wochenmärkten KAUF PLASTIKFREI © Christian Huck © NABU/G. Rottmann © aryfahmed - Fotolia © Eigens - Fotolia © Richard Carey - Fotolia In 30 Jahren könnte es in den Meeren mehr Plastikmüll als Fische geben. Die EU verbannt deshalb zum Beispiel Trink­ halme aus Plastik ab 2021 aus den Regalen. Alternativen aus Metall, Glas oder Papier sind längst auf dem Markt Wird Raupe Nimmersatt unser Plas­ tikproblem lösen? ADE

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