SWU Journal 01/2019

gestern HEUTE morgen Blick auf Ulm, Neu-Ulm und die weite Welt 1530 Der bayerische Benediktinerpater Wolfgang Seidel beschreibt die erste Rezeptur für einen Kunst­ stoff auf Basis von Milch­ eiweiß (Kasein). 1823 Der Schotte Charles Macintosh erhält ein Patent für dublierte Regenmantelstoffe aus Baumwolle mit Kautschuk- zwischenschicht. 1841 Der US-amerika­ nische Chemiker Charles Goodyear entdeckt die Vulkanisation des Kaut­ schuks mit Schwefel, bei der das Ausgangsmaterial durch Hitze und Druck wider­ standsfähig gemacht wird. 1846 Der deutsch- schweizerische Wissen­ schaftler Christian Schön­ bein stellt aus Zellulose und Salpetersäure Nitro- zellulose her und erfindet damit die Schießbaumwolle. 1856 Der Brite Alexander Parkes stellt aus Nitro- zellulose und Kampfer als Weichmacher Parkesin her, einen Vorläufer des Kunststoffs Zelluloid. 1868 John Wesley Hyatt, der in Amerika als „father of the plastics industry“ gilt, setzt Parkes’ Versuche fort und entwickelt Zelluloid als ersten thermoplas­ tischen Kunststoff. 1873 Die New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie stellt Kämme aus Hartgummi her. 1880 Die erste Zelluloid­ produktion in Deutschland entsteht bei der Rheinischen Gummi- und Celluloid- Fabrik (RGCF) in Mannheim. 1884 Der US-Amerikaner George Eastman verkauft fotografische Filme auf Zelluloid-Basis. Die Welt- firma Kodak entsteht. 1911 Richard Escales, Chemiker und Sprengstoff­ experte, gründet die bis heute erscheinende Zeit­ schrift Kunststoffe als erstes Publikationsorgan für die neue Werkstoffklasse. 1912 Der deutsche Che­ miker Fritz Klatte lässt als Erster einen Prozess zur Herstellung von Polyvinyl­ chlorid (PVC) patentieren. Plastikplaneten WIE DIE ERDE ZUM WURDE SWU. Verlass dich drauf. SWU. Verlass dich drauf. 27 26 Kunststoffe galten lange als Wunderwerkstoff der modernen Gesellschaft. Der große Boom setzte in den 1960er-Jahren ein. Die Entdeckung der Vulkanisation von Kautschuk durch den Amerikaner Charles Goodyear ermöglichte später die Herstellung widerstandsfähiger Gummireifen Am 15. Mai, dem Nylon Day, be­ gann in den USA der Verkauf von Nylonstrümpfen. Im ersten Jahr verkauften sich 54 Millionen Paar 1839 1991 Der von 1957 bis 1991 produzierte DDR-Trabant bekam aus Stahlmangel eine Duroplast-Beplankung verpasst, daher der Beiname Plastikbomber © Media-Gallery Tire-and-Rubber-Company Die erste Deutsche Kunststoff-Messe wurde in Düsseldorf abgehalten 1952 Der „Panton Chair“ war der erste aus einem Stück geformte Vollkunststoffstuhl. Der dänische Designer Verner Panton entwickelte den Weltklassiker 1960 lles begann mit Käse. Die erste Re- zeptur zur Herstellung eines künst- lich hergestelltenWerkstoffs stammt aus dem Mittelalter: Der Augsburger Benediktinerpater Wolfgang Seidel fand 1530 he- raus, dass aus Ziegenkäse durch wiederholtes Er­ hitzen und Abkühlen ein Material hergestellt wer- den konnte, das sich als Ersatz für Horn eignete. Er selbst soll darüber gesagt haben, es sei „hart wie Knochen und wunderbar durchscheinend“. Der Stoff ging als Kasein in die Geschichte ein. ZELLULOID KOMMT INS ROLLEN Bis die Kunststoffentwicklung richtig in Fahrt kam, dauerte es noch einige Hundert Jahre. Im 19. Jahr- hundert spielte die Billardkugel eine entscheidende Rolle: Wie Kasein sollte der berühmteste, frühe Kunststoff – das Zelluloid – ein Ersatz für ein sel- tenes, teures Material sein, nämlich für Elfenbein. Ein amerikanischer Billardkugelhersteller versprach demjenigen 10.000 Dollar, der ihm einen Elfenbein- Ersatz lieferte. Der gelernte Drucker und Erfinder John Wesley Hyatt nutzte die Chance, fing an zu experimentieren und war im Jahr 1868 schließlich erfolgreich. Aus Nitrozellulose, auch Schießbaum- wolle genannt, stellte er unter Hinzugabe von Kampfer Zelluloid her und hatte damit den ersten thermoplastischen Kunststoff erfunden. Beim Bil- lardspielen mit Zelluloidkugeln knallte es anfangs wohl manchmal so heftig, dass anwesende Cow- boys ihre Colts zogen. DER STOFF FÜR KUNST Schmuck, Spielzeug und vieles mehr wurde fortan aus dem neuen Werkstoff hergestellt. Der US-ame- rikanische Unternehmer George Eastman verkaufte ab 1889 Filmrollen aus Zelluloid für Fotoapparate und gründete das Unternehmen The Eastman Kodak Company. 1895 liefen die ersten Zelluloid- streifen durch Filmkameras, hielten bewegte Bilder fest und wurden so zum wahren Kunst-Stoff. BEINE IN NYLON GEHÜLLT Auf Basis vieler weiterer Erfindungen und Ent­ deckungen entwickelten sich Kunststoffe in den Folgejahren zum Wunderwerkstoff, der sogar Kultur revolutionen mit sich brachte. Das von Wallace Hume Carothers 1935 entwickelte Nylon etwa eroberte als erschwingliche Kunstfaser Frauenbeine auf der ganzen Welt. Der 15. Mai 1940 ging als N-Day in die Geschichte ein: Am ersten Verkaufstag von in Massenproduk- tion hergestellten Nylonstrümpfen in den USA stürmten die Frauen die Kaufhäuser. A IN WESTDEUTSCHLAND WURDEN 1961 DIE ERSTEN SERIENMÄ ß IG HERGESTELLTEN PLASTIKTÜTEN VERTEILT – IM HORTEN-KAUFHAUS IN NEUSS Der Prototyp K67, an der HfG Ulm entwickelt, erregte auf der Kunststoff-Messe in Düsseldorf als erstes Vollkunststoffauto in Sandwichbauweise großes Aufsehen 1967 © Messe Düsseldorf © design prof. horst diener © Knut Hebstreit - 123RF 1936 Zelluloid eignete sich zur Produktion von Puppen. Das Modell Inge von Schildkröt wurde erstmals zum Ver­ kauf angeboten – ein Riesenhit 1940 © Holger Ellgaard.Wikipedia CC BY-SA 3.0

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